„TENEBRAE“ Responsorien der Karwoche von Tomás Luis de Victoria (1548-1611) – Chorgebet am Palmsonntag in der Basilika St. Quirin

Das Fest der Auferstehung Jesu Christi, das Osterfest, ist das wichtigste im Kirchenjahr. Während der 40tägigen österlichen Bußzeit (Fastenzeit) bereiten sich Christen auf diesen Höhepunkt des Kirchenjahres vor. Besonders intensiv sind dabei die Schriftlesungen während der Karwoche. In der Liturgie werden die sogenannten Lieder vom Gottesknecht aus dem Buch Jesaja vorgetragen. Sie künden den Knecht Gottes an, der leiden wird, um die Völker zu Gott zurückzuführen.

In der Feier des Stundengebetes wird ebenfalls das Leiden Christi und sein Erlösertod in den Vordergrund gerückt. In der Liturgie des Stundengebetes werden die Klagelieder aus dem Buch des Propheten Jeremia, die Lamentationes, vorgetragen. Mancherorts sind sie am Karfreitag und Karsamstag Bestandteil der Trauermetten; so auch in diesem Jahr um 8 Uhr in St. Marien.

Die intensivste Art und Weise, Gefühle auszudrücken, ist die Musik. Nicht von ungefähr hat bereits Augustinus von Hippo festgestellt: „Wer singt, betet doppelt.“ Bereits 1585 veröffentlichte Tomás Luis de Victoria (1548-1611) eine Reihe von Motteten und Musik zur Karwoche. Dieses Officium Hebdomae Sanctae (Stundengebet der Heiligen Wochen) enthält insgesamt 37 Werke, mit Musik von Palmsonntag bis Ostersamstag.

So war das Chorgebet in St. Quirin am Abend des vergangenen Palmsonntags, das Münsterkantor Joachim Neugart unter die Überschrift „Tenebrae“ gestellt hatte, ein mit Bedacht gewählter geistlicher „Einstieg“ in die Karwoche. Der besonders einfühlsame Gesang des Kammerchores Capella Quirina Neuss vertiefte die Auszüge aus den Klageliedern des Propheten Jeremia und der Leidensgeschichte Jesu nach dem Markusevangelium. Auf die Perikope von der Kreuzigung Jesu antwortete der Chor mit den Heilandsklagen (Improperien) – Gesänge in der Liturgie der katholischen und orthodoxen Kirche, die seit dem frühen Mittelalter fester Bestandteil der Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag sind. „Mein Volk, was habe ich dir getan? Womit nur habe ich dich betrübt? Antworte mir.“ – ist ein bekanntes Zitat daraus.

Bei dieser geistlichen Vertiefung der Leidensgeschichte ist zum einen das Leiden und Sterben Christi hautnah spürbar, zum anderen bereitet diese intensiv auf die große Freude des kommenden Osterfestes vor. Dies wird besonders in einer „Homilie am großen und heiligen Sabbat“ deutlich, die Epiphanius († 535) zugeschrieben wird, und die ebenfalls Teil des Gebetes war: Der Herr ist für uns Mensch geworden, hat für uns die Schmach des Kreuzes gelitten und ist für uns auferstanden, um uns aus dem Reich des Todes heraufzuführen.

Mit dieser großen Verheißung endete dann auch das Chorgebet, in dem der Priester die Bitte an Gott richtete:

„Allmächtiger, ewiger Gott,
dein eingeborener Sohn ist in das Reich des Todes hinabgestiegen
und von den Toten glorreich auferstanden.
Gib, dass deine Gläubigen, die durch die Taufe mit ihm begraben wurden,
durch seine Auferstehung zum ewigen Leben gelangen.
Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus.“

Unter folgendem link können Sie Teile des Gebetes anhören:

https://www.youtube.com/watch?v=AxRNQwPKuZ8